Schäume. Das sind Träume im Volksmund, also Hirngespinste, Luftschlösser, idealisierte Zukunftsaussichten, denen man zwar nachrennen kann, aber nur in den seltensten Fällen durch Erfüllung belohnt wird. Lohnt es sich dann überhaupt zu träumen oder ist das eher der Pfad zum Unglück, weil sich doch so wenig verwirklichen lässt und damit Raum für jede Menge Frustration geschaffen ist.
Wollen wir mal sehen. Natürlich kommt es auf besonders viele Faktoren an, um einen Traum zu klassifizieren. Beispielsweise bestimmt der Detailgrad eines Traums dessen Schwere in der Seele, zudem ist es relevant ob ein Traum zumindest halbwegs realistisch ist oder sich in völlig abwegigen Sphären bewegt.
Ich habe ein paar Beispiele. Als Fußballfan einer Mannschaft, die nicht der FC Bayern oder Borussia Dortmund ist, träume ich dennoch durchaus mal vom großen Wurf, einer Meisterschaft. Doch obwohl es nicht per se unmöglich ist, beeinflusst mich diese Wunschvorstellung auch bei inzwischen dreißigjähriger Nichterfüllung überhaupt nicht negativ. Die Freude beim Erreichen wäre zwar wahrhaft groß, aber erstens ist es eben wenig realistisch und zweitens auch nur höchst marginal durch mich zu beeinflussen.
Die Traumhochzeit des vergangenen Jahres, die sich erschreckenderweise am Montag jährt, war hingegen ein eigentlich wenig realistisch erscheinendes Szenario, wenn man sich die Jahre 2006 bis 2012 so anschaut; die tatsächliche Erfüllung hat mich dann aber völlig in Ekstase versetzt, es war der schönste Tag des bisherigen Lebens, der zu weiteren Folgeträumen führte. Diese fühlten sich dadurch erheblich realer an, weil der erste, wichtigste Schritt vollzogen wurde – und die in der Folge bekanntermaßen jäh zerplatzten. Ersteres war so positiv emotional, weil ich nicht erwartet hatte, dass diese wunderbare Frau mich wirklich heiraten wollte und wir dies auch in die Tat umsetzten – pure Brainflash. Zweites wurde ein so negativ emotionaler Moment, der bis heute extrem schmerzhaft nachwirkt, weil ich im Anschluss an Trauung und Reise fest von der Erfüllung des Folgetraums rund um Haus, Hund und Familie ausgegangen war, ihn also quasi real vor mir sah, und niemals mit einer derart lebensverändernden Entscheidung der Frau meines Herzens gerechnet hätte. Killswitch. Beides waren Träume, aber unterschiedlichster Ausprägung und Ergebnisses.
Mein Versuch ist seither, keinen Träumen mehr nachzuhängen und Tag für Tag erwartungsfroh und offenherzig durchs Leben zu ziehen. Natürlich gelingt das nicht, kleine und große Visionen folgen mir seit Monaten nach (vielleicht muss ich mal zum Arzt?), von der Rückkehr zum sportlichen Body, über das Ehe-Reunion oder berufliche Nebelbilder. Doch ist die neue Taktik eben, ihnen nicht hilflos ausgeliefert zu sein, sondern aktiv zu steuern. Für den Body gehts wieder zum Sport, die Ehe muss man realistisch bewerten und beruflich wird sich immer etwas ergeben – immerhin gibt es in meinem Beritt kaum bessere Leute 😉
Als ich daher gestern das titelgebende Zitat im TV hörte (leider weiß ich nicht mehr wo), musste ich dies in Worte fassen. Ich will Träume nach Realitäts- und Schmerzgehalt abwägen und werde versuchen, diejenigen in die Tonne zu treten, die wenig Hoffnung auf Erfüllung und darüberhinaus großes Schmerzpotenzial besitzen. Ich weiß nicht, ob es mir gelingen wird, aber verschlechtern kann es die Lebensqualität nun auch nicht mehr. Wird interessant zu versuchen. Vielleicht befreit es ja sogar.
Keep on rockin‘
Ree