Lebensentscheidungen. Wir alle werden dann und wann mit ihnen konfrontiert, Weggabelungen, an denen nicht nur irgendeine Laune zur Entscheidungsfindung beitragen, sondern die wirklich gut durchdacht sein sollten. Die Überlegung zu heiraten oder ein Kind in die Welt zu setzen stehen für mich in der entsprechenden Rangordnung weit oben, auch wenn ich hier schon mal schmerzvoll eines Besseren belehrt wurde. Aber auch die Fragestellung, ob man dem Leben durch eine berufliche Auszeit nochmal einen ganz neuen Impuls verleihen soll, reiht sich in diese Riege mit ein, stellt sich gar unter Umständen als eine elementare Fragestellung dar, wirkt sie sich doch auf ein urmenschliches Bedürfnis aus: Dem nach (vermeintlicher) Sicherheit.
Wer regelmäßig mitliest weiß, dass ich mich mit dieser Frage nun schon seit Februar quäle, da ich das Angebot erhalten habe, für eine durchaus respektable Abfindung meinen Arbeitgeber zu verlassen. In der Folge habe ich viele Stimmen gehört, von Freunden und Familie, Bekannten und Fremden, live und in Internetforen. Jeder hatte seine eigenen Beweggründe, mir in die eine oder andere Richtung zu raten, doch waren die meisten dennoch so realistisch, mir die Entscheidung nicht abnehmen zu wollen. Tenor war, dass ich das final nur selbst wissen kann, womit sie natürlich komplett richtig lagen. Nun waren die vergangenen Monate also ein hin und her gerissen sein, zwischen der engen emotionalen Bindung zu meinem Arbeitgeber, bei dem ich mit kurzer Unterbrechnung seit 16 Jahren bin und der mir viel ermöglicht hat (unter anderem das nebenberufliche Studium) und dem inneren Drang, mit Ende 30 nochmal etwas Neues wagen zu wollen, eine Auszeit zu machen, die mir nie zuvor vergönnt war und etwas radikaler mit dieser unsäglichen Haus-Hund-Hochzeitsgeschichte abschließen zu können.
Viele Male wechselte ich meine schon sicher geglaubte Entscheidung, immer wieder kamen Zweifel auf, egal bei welcher Variante. Auch zwei Kanaren-Urlaube brachten keinen finalen Entschluss, doch rückte der Zeitpunkt einer Zwangsmaßnahme immer näher: Abfindungen haben den Anreiz, bei Auszahlung zu Beginn eines Jahres steuerlich begünstigt werden zu können; dann müsste die Entscheidung aber spätestens im August fallen. Das ergab den festen Vorsatz, den Italientrip der vergangenen zwei Wochen exakt dafür zu nutzen. Quasi einen Denkraum zu schaffen, in den ich mich permanent zurückziehen und alle nur erdenklichen Szenarien durchspielen kann. Das habe ich getan, zwischen Yoga, Spaziergängen und Boot fahren, beim Eis essen, Zigarre rauchen und Schwimmen. Ich habe Mindmaps gemalt, Pro und Contra-Listen bearbeitet und viel geflucht. Aber ich habe mich entschieden.
Das Leben ist eindeutig zu kurz, um allen Anreizen zu entgehen, um immer nur eine pseudosichere Variante zu wählen und im Alltagstrott zu verrotten. Wenn es einen gibt, der aktuell nichts zu verlieren, sondern im Gegenteil eine Menge zu gewinnen hat, dann wohl mich. Also werde ich dieses Abenteuer wagen, den Weg der Unsicherheit gehen und mit Angst, Spannung und Vorfreude einen neuen Lebensabschnitt einleiten. Ich habe noch nicht die Spur einer Ahnung, in welche Richtung sich die kommenden Monate bewegen werden, aber ich bin sicher, es wird mich zumindest nicht tiefer in diese depressive Stimmung hereinreiten, in der ich an so manchen Tagen ziemlich tief gefangen bin. Ich glaube, es wird der pure Luxus, für eine gewisse Zeit völlig selbstbestimmt unterwegs sein zu können. Und wer weiß, vielleicht entwickelt sich daraus ja auch ein Businessmodell; es gibt ja schon das ein oder andere in kreativen Phasen entstandene Business.
Auf jeden Fall liegt der entsprechende Aufhebungsvertrag schon neben mir und wird in Kürze gezeichnet. Erstmals fühle ich mich mit dieser Entscheidungsvariante sicher und schaue zuversichtlich in das, was kommen mag. Und etwas Alltag, etwas Routine wird ja auf jeden Fall bleiben: Ich werde auch weiterhin diesen, meinen geliebten, Blog pflegen und mit Leben füllen. Nur ab heute ohne die wahnwitzige Jagd nach der Erfüllung einer Zahl (bemerkt ihr im Fehlen der Aufzählung in der Überschrift), sondern stattdessen mit Beiträgen der reinen Schreibfreude wegen. Hey ho, let’s go.
Keep on rockin‘
Ree