Abgehalftert. Gestrandet und irgendwie hängen geblieben, so dass man nicht mehr weg kommt und für alle Zeiten hier festsitzt. Ich glaube, genau so geht es einer Menge Menschen am so legendären Muscle Beach in Venice, Kalifornien. Gespannt wollte ich die berühmten Live-Fitness-Selbstdarsteller besuchen, doch aufgefallen sind mir in erster Linie die unzähligen Strandhändler, die selbst gemachte Dinge verkaufen und nach Sonnenuntergang hinter ihrem Stand unter Lumpen die Nacht verbringen. Sie gesellen sich dann zu den vielen anderen Homeless-People, die an jeder Ecke um Almosen bitten oder einfach vor sich hin vegetieren. Ein trauriges Bild, zeigt es doch, dass die USA alles andere als ein flächendeckend soziales Land sind; dagegen geht es uns in Deutschland tatsächlich blendend, möchte ich meinen.
Natürlich gibt es auch die viel gepriesene Coolness hier. Jede Menge muskelbepackte Leute, Skater, Biker, Jogger, immer wieder auch Surfer, dazu wird Boule, Volleyball und Rugby gespielt. „Echte“ Straßenhändler bieten Shirts, Drinks und Rauchwaren feil und ein süßlich-grüner Geruch weht einem konstant um die Nase. Touristen flanieren, Kinder bevölkern die Spielplätze und der Strand ist sehr breit, unfassbar lang und sieht erstklassig aus. Die Promenade bis Santa Monica ist fantastisch ausgebaut und mit Verlassen des Bezirks Venice nimmt auch abrupt die oben erwähnte Armut ab. Es geht in Richtung Freizeitpark, mit Riesenrad und Achterbahn direkt am Meer, und aus Coolness wird Geselligkeit und Spaß.
Zwei Seiten einer Metropole, auf engstem Raum, die zeigen, welch unterschiedliche Lebensentwürfe existieren und wie schnell sich so ein Entwurf in die vermeintlich falsche Richtung entwickeln kann. Denn, um mal mit einem Vorurteil aufzuräumen: Niemand dort hatte (zumindest bei diesem Besuch) Böses im Sinn, selbst nicht repräsentativ aussehende Menschen waren freundlich oder zumindest distanziert. Keine Agressivität, keine unangenehmen Situationen. Auch das hat mich über positiv. Venice war eine seltsame Erfahrung. Sehr schräg, aber irgendwie doch auch cool. Ich bin irritiert.
Keep on rockin´
Ree